© Wolfgang-Borchert-Archiv
Der deutsche Schriftsteller Wolfgang Borchert wurde nur 26 Jahre alt. Sein kurzes Leben war gekennzeichnet von Krieg und Krankheit. Schwere Erlebnisse in den Kriegsjahren bewirkten, dass Krieg zum Hauptthema seines literarischen Schaffens wurde. Seine Nachkriegs-Werke gelten als die bekanntesten der so genannten »Trümmerliteratur«. Den größten Erfolg mit dem Drama »Draußen vor der Tür« erlebte er nicht mehr. Er starb einen Tag vor der Premiere.
Wolfgang Borcherts Biografie
Wolfgang Borchert kam am 20. Mai 1921 in Hamburg Eppendorf zur Welt. Er wuchs als einziges Kind in einem kulturell aufgeschlossenen Elternhaus auf. Bereits in seiner Jugend verfasste er erste literarische Werke. Die beeindruckende Hamlet-Aufführung mit Gustav Gründgens im Thalia-Theater 1937 weckte den Wunsch zur Schauspielerei. Er brach eine Buchhändlerlehre ab und spielte nach bestandener Schauspielausbildung 1941 an der Landesbühne in Lüneburg. Wenige Monate später riss ihn die Einberufung zum Kriegsdienst aus seinem Lebenstraum.
Als Panzergrenadier kam er an die Front nach Smolensk. Eine Verwundung ermöglichte ihm im Februar 1942 die Rückkehr nach Deutschland. Der Vorwurf der Selbstverstümmelung konnte nicht bewiesen werden. Jedoch kritische politische Äußerungen bescherten ihm im Prozess wegen Heimtücke sechs Monate Haft mit anschließender Frontbewährung. Mit Erfrierungen, Gelbsucht und Verdacht auf Fleckfieber kam er 1943 ins Seuchenlazarett und später zur Genesung nach Deutschland.
Als frontdienstuntauglich wurde er später zum Fronttheater in die Truppenbetreuung versetzt. Einer Goebels-Parodie vor Kameraden folgten sechs Monate Untersuchungshaft. Die Verurteilung im August 1944 wegen Wehrkraftzersetzung ergab neun Monate Gefängnis mit Strafaufschub zwecks Feindbewährung. Sein Gesundheitszustand bewahrte ihn vor einer erneuten Versetzung an die Front. Die letzten Kriegsmonate verbrachte er in einer Jenaer Garnison. Seine Einheit ergab sich beim letzten Einsatz den französischen Truppen. Durch Flucht entzog er sich der Kriegsgefangenschaft und schlug sich zu Fuß 600 km bis Hamburg durch. Schwer krank erreichte er am 10. Mai 1945 sein Elternhaus.
Nach dem Krieg konnte sich Wolfgang Borchert von seinen schweren Krankheiten nicht erholen. Bald bettlägerig konzentrierte er sich immer mehr aufs Schreiben. Er wechselte von der Lyrik zur Prosa und schrieb fürs Theater.
Es entstand seine erste Erzählung »Die Hundeblume«. Trotz verschiedener Therapien verbesserte sich sein Gesundheitszustand nicht. Unter dem Zeitdruck seiner fortschreitenden Erkrankung schrieb er zahlreiche Kurzgeschichten und Prosatexte. Innerhalb von acht Tagen verfasste er sein Drama „Draußen vor der Tür“. Nach dessen Rundfunk-Ausstrahlung erlebte er ein großes Interesse an seinen Kurzgeschichten und Texten.
Im September 1947 wurde Wolfgang Borchert ins Baseler St.-Clara-Spital gebracht. Dort verstarb er am 21. November 1947. Die Uraufführung seines Werkes »Draußen vor der Tür« in den Hamburger Kammerspielen mit der Intendantin Ida Ehre hatte am nächsten Tag überragenden Erfolg.
Wolfgang Borcherts Schaffen
Wolfgang Borchert kämpfte in tiefster Überzeugung gegen Gewalt und Dummheit. Mit seinen Werken nach Kriegsende, die der so genannten »Trümmerliteratur« zugerechnet werden, gab er der um das Leben betrogenen jungen Generation eine Stimme. Seine Geschichten begründeten in Deutschland das Genre der deutschen Kurzgeschichte und wurden Vorbild für viele deutsche Schriftsteller.
Borchert beschrieb die Menschen mit ihren Erlebnissen in Gefängnissen, im Krieg, als Heimkehrer und in den Familien. Diesen Geschichten liegen seine eigenen existenziellen Erfahrungen zugrunde: die Begegnung mit der Macht, das Erleben von Tod und Vernichtung im Krieg, die Nachkriegs-Zweifel der jungen Menschen an ihrer Identität, eigenes Schuldbewusstsein und die Enttäuschung der älteren Generation. Seiner zerstörten Heimatstadt Hamburg widmete er in Verbundenheit mehrere hymnische Texte. Borcherts Werke stehen heute auf dem Lehrplan vieler Schulen.
Wolfgang Borcherts Werke
Erste Gedichte schrieb Borchert bereits mit 15 Jahren. Er selbst sagte, dass sie ihn wie ein Rausch überkamen. Den Hauptteil seines literarischen Werkes verfasste er in der kurzen Zeit von 1945 bis 1947. Eine Auswahl:
Name des Werks | Gattung | Veröffentlichungsjahr |
Reiterlied | Gedicht | 1938 |
Käse | Komödie | 1939 |
Granvella | Gedicht | 1940 |
Mein bleicher Bruder | Kurzgeschichte | 1941 |
Requiem für einen Freund | Prosa | 1943 |
Briefe aus Russland | Gedicht | 1943 |
Die Hundeblume | Kurzgeschichte | 1946 |
Das Brot | Kurzgeschichte | 1946 |
Die Küchenuhr | Kurzgeschichte | 1947 |
Nachts schlafen die Ratten doch | Kurzgeschichte | 1947 |
Draußen vor der Tür | Schauspiel | 1947 |
Die Kirschen | Kurzgeschichte | 1947 |
Dann gibt es nur eins! | Manifest und Vermächtnis | 1947 |
Wolfgang Borcherts Lebenslauf
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1921 geboren 21. Mai in Hamburg Eppendorf, Mutter Schriftstellerin, Vater Volksschullehrer
1936 erste Gedichte
1939 Buchhändlerlehre und Schauspielunterricht
1940 April kurze Verhaftung durch Gestapo wegen Verherrlichung der Homosexualität, Dezember Abbruch der Lehre
1941 März Abschluss Schauspielerausbildung und Engagement am Theater Lüneburg, Juni Einberufung zum Kriegsdienst, Dezember Abkommandierung zur Front bei Smolensk
1942 Februar Schussverletzung an der linken Hand, März mit Diphtherie in die Heimat zur Genesung, Juni Verhaftung wegen Selbstverstümmelung und Verstoß gegen das Heimtückegesetz, sechs Wochen verschärfter Arrest mit anschließender Frontbewährung, Oktober Haftentlassung und Versetzung nach Jena, November an die Front bei Toropez
1943 Januar mit Verdacht auf Fleckfieber und Erfrierungen ins Seuchenlazarett Smolensk, März nach Deutschland zu Genesung, anschließend zum Fronttheater der Truppenbetreuung, November wegen Goebbels-Parodie denunziert und erneute Festnahme
1944 ab Januar Untersuchungshaft in Berlin Moabit, August Verurteilung wegen Wehrkraftzersetzung zu neun Monaten Gefängnis, September Entlassung zwecks Feindbewährung, „bedingt kriegsverwendungsfähig“ zur Garnison nach Jena
1945 März letzter Einsatz, die Einheit ergibt sich bei Frankfurt/Main, Flucht auf Transport in französische Gefangenschaft, Fußmarsch nach Hamburg mit Ankunft am 10. Mai, schwer krank aktiv in der Hamburger Theaterszene, ab November bettlägerig, Dezember Einlieferung ins Hamburger Elisabeth-Krankenhaus
1946 April unheilbar entlassen, bis Jahresende entstehen 29 Prosatexte
1947 im Februar Borchert-Boom nach Ausstrahlung des Rundfunk-Hörspiels »Draußen vor der Tür«, ab September Aufenthalt im Baseler St.-Clara-Spital, Tod am 20. November